Samstag, 3. März 2012

Echter Pink Floyd Stoff - "A Momentary Lapse Of Reason"

Aus dem Archiv:

An diesem ‘87er Album von Pink Floyd scheiden sich die Geister.
Gilt es den einen als Befreiungsschlag von der Katastrophenlyrik Roger Waters ist es für die anderen nur noch das kommerzielle Ausnutzen des Markennamens Pink Floyd mit unfairen Mitteln – denn was sind Pink Floyd ohne den genialen Texter und Komponisten Waters!?
Fakt ist, dass Roger Waters kurz vorher einen Rechtsstreit gegen die verbliebenen Pink Floyd Mitglieder um den Bandnamen verloren hatte als Gilmour und Co sich daran machten, ein neues Pink Floyd Album ohne Waters zu veröffentlichen.So verblieben neben David Gilmour, der Stimme und fabulösen Gitarristen Pink Floyds noch die Bandmitglieder Nick Mason am Schlagzeug und Richard Wright an den Tasten.
Eben letzterer hat hier auch Hand an einigen Songs gelegt, die er gemeinsam mit Gilmour komponiert hat. Die Produktion lag in den Händen Gilmours und Bob Ezrins, der auch zuvor bereits mit Pink Floyd gearbeitet hat.

Musik
~~~~~~~*
Der verschwurbelte Beginn macht aber schon klar, dass Gilmour und seine Freunde eher „Wish You Were Here“ und „Dark Side Of The Moon“ im Auge hatten als „The Wall“.
„Signs Of Life“ klingt jedenfalls wie Musik gewordener Indianerschmuck und das setzt sich bei „Learning To Fly“ eindrucksvoll fort.
Natürlich legt Gilmour viel Wert darauf, dass seine Gitarrenarbeit stärker in den Vordergrund rückt. Dennoch schielte der zweite Song unverhohlen auf die Charts. Er ist eingängig, mit einem richtigen Refrain und kürzer als 5 Minuten – eine zukünftige Hitsingle also.
Das dazu aufwendig produzierte Video soll uns auch auf die Indianerschiene bringen. Das wird im weiteren Verlauf glücklicherweise nicht mehr allzu offensiv verfolgt.„Dogs Of War“ könnte in weiten Teilen, Saxophon und Chor, ein Mason-Outtake aus der dunklen Seite des Mondes sein. Es ist ein wenig düster und der rhythmische Teil steht eindeutig im Vordergrund. Es ist mitreißend und sehr schmutzig mit eindrucksvollem Text gesungen.
Wie es sich für ordentliche Pink Floyd Alben gehört, sind die Übergänge zwischen den Songs meist fließend. „One Slip“ wird direkt an die Hunde gehängt und bekommt auch etwas von dessen Schwung mit. Ist aber ein recht konventioneller Song, der vor allem die Titelzeile des Alben in sich trägt.
Der weitschweifige Instrumentalteil in der Mitte ist bei Police geklaut, äähm angelehnt ;-)Der ultimative Kracher des Albums befindet sich mittendrin.
„On The Turning Away“ wurde und blieb bei Floyd Konzerten der Post Waters Ära ein Pflichtpunkt. Es ist so Floydesk, dass man kaum glauben kann, dass es erst 1987 entstanden ist. Und das Lied ist schlichtweg genial.
Es beginnt ganz sanft mit einer beinahe folkigen Melodie, getragen von Gilmours Gesang, zunächst a cappella, er macht das sensationell. Es folgen Streicher, DIE Gitarre und am Ende ufert das Ganze in ein Monumentalwerk für Rockorchester aus – und das alles in knapp 6 Minuten.
Als wollten die restlichen Pink Floyd beweisen, dass man auch ohne Waters zu düsteren Werken fähig ist, folgt mit „Yet Another Movie“ ein Düsterwerk der Sonderklasse. Tiefschlägen des Basses folgt gegongtes Synthiezwirbeln und bassboxbelastende „Prophet“tiefgründeleien, denen ein laaang gezogenes Gitarrensolo hinterher geschickt wird.Um den Song „Terminal Frost“ herum haben Pink Floyd zwei Miniaturen gesetzt, die beide wie elektronisch verfremdete Hilferufe klingen und auf diesem Album an dieser Stelle irgendwie falsch platziert wirken. Denn der Song dazwischen ist jazzig unterkühltes Instrumental mit viel Saxophon, toll gespieltem Schlagzeug und einer sehr überraschenden Atmosphäre. Ich erinnere mich recht deutlich, dass ich es früher ziemlich schrecklich fand. Beim jetzt mal wieder anhören, halte ich „Terminal Frost“ für eines der stärksten und überraschendsten Stücke des Albums.
„Sorrow“, der Schlusspunkt setzt noch mal auf schweres Gitarrenmetall. Für Gilmour’sche Verhältnisse ist das Hardrock. Leider verhindert der festgetackerte Rhythmus, dass der Song so eindrucksvoll bleibt wie er beginnt. Gilmour singt seinen Part, schon gut aber irgendwie seelenlos.
Nur die sehnsüchtige Brücke inmitten des Songs gibt dem Ganzen etwas Saft.Schade – der maue Schluss verdirbt ein wenig die Dramaturgie des Albums, dass sich mit anhaltender Laufzeit steigert.




Fazit
~~~~~~*
Auch wenn der Titel es nahelegt ist der Verstand nicht abgerutscht.
Im Gegenteil: Mason, Wright und Gilmour haben ein Album für Fans produziert. Sie enttäuschen ihre Anhänger nicht wirklich, versetzen sie aber auch nicht in einen Rauschzustand.
Es gibt Ausrutscher in alle Richtungen, manch Überraschung und einen späten Klassiker. Das ist weit mehr als ich bei 90% aller Rockalben erwarten kann.
„A Momentary Lapse Of Reason“ wird wahrscheinlich weiter ein sehr unterschätztes Pink Floyd Album bleiben – aber es ist in all seinen Facetten unzweifelhaft ein Pink Floyd Album.
Genau das wurde von Waters Jüngern immer bezweifelt, doch wer nur ein paar Takte zuhört, weiß sofort woher die Musik kommt.
Soundtechnisch ist es, wie es sich gehört, ein Traum. Da zischelt, knurpselt, rumort immer irgendetwas sehr transparent herum. Die Instrumente werden ebenso wie die Stimmen überaus sauber abgebildet. Das war auch nicht anders zu erwarten…
Trotz seiner offensichtlichen Schwächen höre ich „A Momentary Lapse Of Reason“ immer mal wieder gerne an.

Anspieltip:
"On The Turning Away"

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