Mittwoch, 2. Februar 2011

Steve Miller - Born 2 B Blue

Ihr hattet einen großartigen Tag? So richtig gut. Vielleicht mitten im Sommer, so bei 30°, frisch verliebt und alles ist toll.
Das Leben ist sonnig mit hübschen weißen Wölkchen.
Dann ist es der perfekte Tag für dieses wunderbare Album aus dem bisher leider sehr dürren Spätwerk von Steve Miller. Wenn es nicht im CD-Player eingesperrt wäre, würde es vermutlich langsam davon fliegen und einen Duft von frischem Grün hinterlassen.
Denn Steve Miller hat sich einiger Klassiker des Jazz und Blues bemächtigt und sie in unnachahmlicher Weise für sein Musikidiom umgeschrieben.
Denn wie seine Klassiker, "The Joker", "Abacadabra" oder "Fly Like An Eagle" vermuten lassen, wird auch hier die ganz große Melodiebüchse geöffnet und mit schwebendem Sound versehen.
So sind die Hauptinstrumente, neben Millers Gitarren, Vibraphone ( für die Experten: gespielt von Milt Jackson (Modern Jazz Quartet)), ein schönes schmutziges Saxophone und einem kompakten Rock/Pop Sound.Heraus stechend ist aber vor allem Millers mit leichter Hand eingestreuten Gitarrenlicks. Nein es gibt keine ausufernden Soli, und Steve Miller eckt auch nirgends an.
Dennoch hakt sich "Born 2 B Blue" sofort beim ersten Hören in die Ohren fest.
Ich habe es nach langer Zeit mal wieder aufgelegt, weil ich die LP digitalisiert habe und seitdem komme ich nicht mehr dazu andere Musik weiter zu digitalisieren, weil ich die letzte Woche keine andere Musik mehr hören mochte.Für alle, die es nun genauer wissen wollen, liefere ich ein paar Songbeschreibungen nach...




Songs
~~~~~*
Das beginnt schon beim ersten Song "Zip-A-Dee-Doo-Dah" der hier in unfassbar guter Qualität angeschwebt kommt. Das der Song aus einem alten Disney Streifen stammt, hilft sicher die gute Laune verbunden mit einer gewissen Leichtigkeit zu behalten.Das Album geht genauso "Laid Back" weiter. Denn "YA-YA", getragen von Millers extrem coolen Gitarre und auch Ray Charles Soul Song "God Bless The Child" kommen sehr entspannt rüber.
Steve Miller prägt die Lieder nach seinem Gusto, spielt auch tolle Soli, aber er überfrachtet die Songs nicht.
Genial gespielt und immer mit einem kleinen Augenzwinkern.Übrigens wer glaubte, dass Gary Moore den Blues hat, sollte sich dringend mal die Gitarrensoli von "God Bless The Child" anhören.
"Filthy McNasty" ist ein Jazzklassiker von Horace Silver. Wie es sich gehört, läßt Steve Miller seinem Saxophonisten breiten Raum sich zu entfalten. Natürlich fegt der, zusammen mit Millers Leib und Magen Keyboarder Ben Sidran durch den Song. Der jazzige Sound wird zelebriert und ist dennoch locker und leicht. Der Titelsong, aus der Feder Mel Tormés, ist ein wenig schwerblütig und als einziger Song auch ein wenig jenseits von Millers Stimmvolumen.
Er gleicht das mit einer wirklich extrem blueslastigen Gitarre aus. Dazu kommt ein Meisterstück auf dem Vibraphon. Das ist ganz großes Kino!!
Noch ein Song aus Ray Charles Repertoire. "Mary Ann" ist dramatisch und dennoch flockig. Das liegt neben Millers engagiertem Gesang, der hier auch perfekt passt, vor allem am durchgängig gespielten Rhythmusgitarrenlauf, die das Thema beständig durchspielt und eher wie ein Bass gezupft wird.
Das wird dann immer mal wieder in den Vordergrund gezogen, wenn die anderen Instrumente pausieren oder wieder nach hinten geschoben. Technisch genial - und sehr effektvoll!"Just a Little Bit" und "When The Sunny Gets Blue" sind auf ihre Weise ein wenig langweilig, leben im Grunde auch nur von dem lustigen Arrangement (Little Bit) oder von Bob Malachs (Sunny) sensationellem Saxophon.
Die beiden Lieder sind nett, passen auf's Album, sind aber nur Füllwerk.
Einen Kracher hat Miller beim letzten Song losgelassen. "Red Top" beginnt als ausgelassener Bluesrock und mündet in ein weniger als 3 Minuten dauernde Jazz-Celebration, die einen mit so ziemlich allen zur Verfügung stehenden Extremitäten mitwippen läßt.
Ein cooler Abschluß eines tollen Albums!

Fazit
~~~~*
"Born 2 B Blue" ist ein toller Feger.
Steve Miller ist es gelungen auf seinem Soloalbum die Spielfreude des Jazz mit den Untertönen des Blues zusammen zu bringen und daraus ein federleichtes Rockalbum zu schnitzen.
An keiner Stelle hat man das Gefühl Miller würde schwermütig. Aber auch die teils anstrengende Attitüde des Jazz, das jeder Musiker immer wieder zeigen muss was für ein toller Hecht er auf seinem jeweiligen Instrument ist, fällt hier schon wegen der Kürze der Songs aus.
Das auf dem Album nur Coverversionen sind, fällt nicht ins Gewicht.
An manchen Stellen sind sie so verfremdet, dass man das Original kaum erkennt oder sie sind dem Original mindestens ebenbürtig.
Ein tolles Album für großartige Tage!

Dienstag, 1. Februar 2011

Anke Helfrich - Stormproof

mmer mehr Frauen drängen in den Jazz. Nicht nur als Sängerinnen, sondern auch als Instrumentalistinnen.
Eine der neueren Musikerinnen ist Anke Helfrich. Sie ist mit ihren 44 Jahren nicht mehr ganz neu in der Szene. Als studierte Jazzpianistin tourt sie schon ewig und hat nun auch schon drei Alben heraus gebracht. Mit „Stormproof“ veröffentlichte sie 2009 erstmals ein Album unter den Fittichen des renommierten Enja Labels.
Das ist für Jazzer so etwas wie ein Ritterschlag. Ein Vorteil sind die massiv verbesserten Produktionsbedingungen, die ein größeres Label bieten kann.
 



Besetzung
~~~~~~~~~*
Und das manifestiert sich auch in Helfrichs Musik. Denn die Produktion ist sehr erwachsen und alle Musiker werden vom Produzenten Matthias Winkelmann transparent in Szene gesetzt.
Außer der Chefin:
Anke Helfrich - Klavier, Harmonium, Fender Rhodes
spielen noch ihre Triokollegen
Henning Sieverts - Kontrabaß, Cello
und
Dejan Terzic - Schlagzeug, Percussion
Mit Nils Wogram an Posaune und, man höre und staune, Melodica spielt noch ein exzellenter Gastmusiker mit.

 

Lauschangriff
~~~~~~~~~~~~~*
Wer nun glaubt: Frau am Jazzklavier, na das wird ein Gesäusel sein – liegt völlig falsch.
Anke Helfrich spielt richtigen freien klassischen Trio bzw. Quartettjazz, der deutlich Anklänge an den späten Thelonius Monk hat. Sie steht eindeutig nicht in der Tradition Keith Jarretts. Also kein Gebrülle am Klavier, keine abgebogenen Akkorde.
Das dürfte der Grund sein, warum sie das Album mit dem boppigen Monk Klassiker „Hackensack“ eröffnet. Swingend werden hier die Jazzläufe aus dem Handgelenk geschüttelt. So was habe ich schon lange nicht mehr gehört. Gleichzeitig handfest und doch federleicht. Großartig auch Sieverts am Bass – das möchte ich gerne mal live sehen!
Zum kompakten Triosound gesellt sich nun Wogram, zunächst mit einem kleinen Melodica Intro, hinzu, ehe Helfrich erneut improvisierend über die Tasten fliegt.
Das Titelstück „Stormproof“ ist dagegen schon fast experimentell zu nennen. Wograms Posaune spielt hier mit vielen ungewohnten Facetten, dazu kommt das Fender Rhodes Piano und ein Harmonium. Sehr ungewöhnlich und dennoch fesselnd. Man möchte beinahe in die Lautsprecher kriechen. Dieser Sound macht ein wenig süchtig, gerade wegen der gewagten Posaune.
„Sehnsucht“ ist nach dem munteren Stormproof das völlige Kontrastprogramm. Nur das Trio, aber diesmal mit Sieverts am Cello, Terzic nutzt ausgiebig seine Lieblingspercussion, eine zarte Glocke.
Nach der kleinen Ruhepause geht die wilde Synkopenfahrt weiter. Irre dabei ist, wie gut Wograms Posaune in dieses Gruppengefüge passt und was man für abgefahrene Sounds aus so einer Posaune heraus holen kann. Da fliegen die musikalischen Bälle durch den Raum und sie werden aufgefangen und mit Verve weiter gegeben.
Und dann explodiert Helfrichs Klavier. „After The Rain“ beginnt mit zwei Akkorden, die fürchten lassen, dass ihr Klavier danach nicht mehr spielbar ist.
Zum Glück spielt sie bei „Circles“ aber ein lyrisches Solo, von dem ich kaum genug bekommen kann.
Doch es folgen noch weitere Überraschungen.
„Swiss Movement“ sticht mit dem Fender Rhodes Einsatz heraus und es ist ein sensationelles Stück. Fetter Beat, funkiger Pianogroove mit einem irrwitzigen Schlagzeug. Aber der Star ist Helfrichs Improvisation inmitten des Stückes. Sie geht mit diesem Keyboard dahin wo einem vor Staunen der Mund offen bleibt.
Das danach gleich ein Kurt Weill Stück kommt überrascht nur, bis man gehört hat wie entfesselt „Speak Low“ hier daher kommt. Vor allem ihr Zusammenspiel mit dem überraschungsreich spielenden Terzic macht Freude. Nach all den Lobeshymnen kann es kaum mehr besser werden. Doch ihre Widmung an Johnny Griffin, „Little Giant“ trifft mitten ins Herz. Ein Quartett mit Klavier, Posaune, Cello und Schlagzeug fließt geradezu aus den Lautsprechern.
Ein ergreifender Schlusspunkt.

Fazit
~~~~~*
„Stormproof“ ist ein großartiges Jazzalbum. Ganz und gar überraschend.
Neben kompaktem Triojazz finden sich hier phänomenale Improvisationen. Dazu einen Posaunisten, der nicht nur vor Spielfreude überquillt, sondern seinem eher schwierigen Instrument schier unglaubliche Sounds entlockt.
Helfrichs Mitstreiter Terzic und Sieverts sind Meister ihres Fachs und begleiten mit feinen Akzenten ihre Frontfrau.
So macht Jazz Spaß. Hier findet sich alles, was der Freund (oder die Freundin) der improvisierten Musik liebt. Das alles in einer Dosis, die man auch Jazzbeginnern problemlos empfehlen kann.
Vielleicht als Abschluss noch ein Lob an die Produktion. Das Album ist von einer schier überirdischen Präsenz. Die Musiker scheinen im Raum zu stehen. Großartig!!!!
Anspieltips (schwierig, weil das Album extrem homogen ist):
Hackensack
Swiss Movement
Website: http://www.anke-helfrich.de/
Mit ein paar Musikausschnitten, sonst leider nicht sehr ergiebig.