Sonntag, 11. März 2012

Bobby Mc Ferrin - Beyond Words

“Über Worte hinaus” so heißt dieses Album Bobby McFerrins aus dem Jahr 2002.
Er verwendet seine Stimme auf diesem Album ausschließlich als Instrument, das gleichwertig neben den anderen Instrumentalisten steht.

Mit dabei ist eine Auswahl der bekanntesten Musiker des zeitgenössischen Jazz.
Chick Corea - Piano
Omar Hakim - Schlagzeug
Richard Bona - Bass, Gitarre
Gil Goldstein - Synthesizer, Keyboards
Cyra Baptisa - Percussion
Keith Underwood - Flöten
und natürlich
Bobby McFerrin - Vocals

McFerrin ist einer der wenigen Sänger, bei dem solch ein Experiment gelingen kann. Seine stimmlichen Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Während er in einem Moment mit einem rollenden Bass singt, ist er im nächsten Augenblick im Obertonbereich.
Scheinbar ohne Anstrengung wechselt er Stimmlagen, doch seine Hauptlage scheint eine Art Tenor mit einem Hang zur Kopfstimme zu sein.
Dieses Album ist ein reines Instrumentalalbum, ein gesprochenes Wort ist nicht zu hören. Insofern ist es ein reinrassiges Jazzalbum, bei dem alle Instrumentalisten sehr viel Freiraum genießen und zwischen den unisono gespielten Parts sehr viel Raum für Improvisationen haben.




Die Musik
Die ersten der insgesamt 16 Stücke sind, als Aufwärmphase sozusagen, mit einem milden Latinrythmus versehen. Hier haben die Musiker noch nicht allzu viel Auslauf. Das Ensemble steht eindeutig im Vordergrund. Im ersten Stück beginnt McFerrin sogar beinahe pastoral. Man wähnt sich fast in der Kirche.
Wenn Corea dort statt Piano Orgel gespielt hätte, wäre ich sicher darauf hereingefallen.
Danach stellt sich ab dem vierten Song eine Art gepflegte Langeweile ein. Man glaubt zu wissen, was einen erwartet.
Doch schon bei „Dervishes“ ist ein Stimmungswechsel zu spüren. Der Sound wird freier und offener. Die Musik insgesamt ist mit einem Mal komplex und undurchschaubar.
Wohlgemerkt, nie neben der Spur, nur selten mischen sich wirkliche Dissonanzen in die Harmonie.
Die Musiker nehmen sich jedoch viel mehr Freiräume. Es wird munter improvisiert, ehe McFerrin sie wieder einfängt und zu einer gemeinsamen Sprache findet.
Bonas Bass beginnt einen zweiten Gesang, neben McFerrins eigentlichem Gesang.
Besonders deutlich auf „Chanson“, dass ein Duett mit Bass und Stimme ist. Hier stimmt einfach alles. Die beiden ergänzen sich perfekt.
Bei „Windows“, dem Duett mit Corea dagegen scheint Corea seine, faszinierenden, Miniaturen zu übertreiben. So wirkt der Song ein wenig zu verspielt.
Spätestens ab „Circlings“ wird eine dritte Phase hinzu genommen. Die Improvisationen werden noch freier, immer noch harmonisch, doch ohne ein festes Songgerüst. Dafür nimmt der Sound nun einen größeren Stellenwert ein.
In „Marlowe“ fühlt man sich an schöne Aufnahmen der Pat Metheny Group erinnert.
Doch je weiter das Album fortschreitet, umso eigenwilliger wird der Sound, umso stärker treten afrikanische Wurzeln in den Vordergrund - natürlich nie, ohne auch ein gutes Stück amerikanischen Jazz zu präsentieren.
Diese Rolle übernimmt Chick Corea meisterhaft.
Bobby McFerrin ist in dieser Phase ein Gleicher unter Gleichen.


Fazit
Das Album kommt ein wenig schwer in die Gänge, entfaltet aber ab der Hälfte eine faszinierende, eigenwillige Schönheit.
Diese Stimmung hält dann auch bis zum letzten Song an. Die Spannungs- und Stimmungskurve fällt nicht mehr ab.
Vielleicht hat Bobby McFerrin das Album absichtlich so aufgebaut. Am Anfang ist man als McFerrin Neuling verblüfft über seine unfassbaren stimmlichen Möglichkeiten.
Wenn sich diese Verblüffung gelegt hat, beginnt das eigentliche Album und man kommt aus dem Staunen nicht heraus.
Denn vor allem am Ende des Album vereinen sich Sound und Rhythmus zu einer dichten Atmosphäre, die einen in ihren Bann zieht.
Man vergisst ein wenig die Zeit und viel Besseres kann man über ein Jazzalbum kaum sagen. Dazu gesellt sich eine phänomenale Aufnahmequalität, die alle Instrumente klar und transparent in den Raum stellt.
Wer sich immer schon mal ein Jazzalbum kaufen wollte, ohne gleich einen furchterregenden Angriff auf die Lauscher zu erleben ist bei „Beyond Words“ von Bobby McFerrin richtig.
Das Album eignet sich sowohl als Hintergrundsound als auch zum richtigen Zuhören - nur beim letzteren erschließen sich aber die Feinheiten.